Dießen am Ammersee (kurz hinter München, dem Kloster Andechs gegenüber gelegen) ist für Nordlichter nicht so gut erreichbar. Wie schön, wenn sich doch einmal die Gelegenheit ergibt!
Dießen selbst ist ein ganz schnuckeliger Ort und für sich schon eine Reise wert, aber mit dem Besucherandrang zum Töpfermarkt trotz der vorhandenen (Touri-erprobten) Logistik nahezu überfordert; eben ein überregionales Highlight. Durch gesonderte Parkplätze außerhalb, einen Bus-Shuttle-Service und etwas Geduld gelingt aber alles.
Die Kulisse ist traumhaft (vor allem bei einem solchen Wetter)
und spornt die Aussteller, so scheint es, auch zu farbenfrohen Höchstleistungen an.
Kein Wunder, dass der Markt so gut besucht ist. Er beginnt Christi Himmelfahrt und dauert vier Tage. Wir haben für uns den zweiten Tag ausgewählt; entspannte Atmosphäre, wenn man mit der Furcht leben kann, dass ‚die besten Stücke‘ schon am Vortag verkauft wurden. Natürlich ist immer noch genug zum Bestaunen und Begreifen da. 😉
Es handelt sich (gefühlt) um unseren bisher größten Töpfermarkt. Dies liegt nicht zuletzt an der Weitläufigkeit des Geländes. In Oldenburg zum Beispiel steht eine in etwa vergleichbar große Zahl an Ausstellern (ca. 150:130) auf deutlich engerem Raum. Die Keramiker haben hier oft eine ganze Wiese hinter ihrem Stand für sich und sind so nicht vier Tage dauerhaft im Gedränge. Dazu etwas Wind vom Wasser, Bäume … ganz angenehm auch für die Anbieter, könnte ich mir vorstellen.
Die Aussteller (und ihre Stücke) erkennt man natürlich teilweise (und erfreulicherweise) von anderen Märkten wieder.
Dieses Jahr habe ich eine erstklassige Chawan bei Kathrin Najorka gefunden:
Die Schale ist ca. 7,5- 8,3 cm x 12 cm groß und liegt mir mit diesen Maßen optimal in der Hand. Angenehmes Gewicht, etwas geschlossene Form, unregelmäßig-‚bergiger‘ Rand. Flacher, gestalteter Standring.
Shino-Glasur, würde ich sagen, und dann im Holzofen eher reduzierend gebrannt, so dass Grau-Seladon-Farben mit Craquelée und Ascheanflug außen und innen entstanden sind, sehr schön passend zu Matcha und auch einfachem grünen Tee.
Ins Auge fallen Verkohlungen, darunter eine Beule sowie eine Anhaftung / Vernarbung auf der Rückseite, die dadurch entstanden sind, dass die Schale während des Brandes ‚leider‘ umgefallen ist. Die Keramikerin hat erzählt, wie sie mit einem Schürhaken und der langen Feuerzange ihres Großvaters zweimal versucht hat, sie wieder aufzurichten und dies wegen der Hitze nicht so richtig geklappt hat. Die so entstandene Lebhaftigkeit, die eben nicht ‚gewollt‘ und ‚gemacht‘ wirkt, hat mich sofort angesprochen. Hinzu kommen helle Steinausblühungen, die von dem eigenen Ton beigemengten Steinchen aus dem Ofenfundament stammen. Erfreulicherweise ist die Töpferin beim Glätten sorgfältig, aber behutsam vorgegangen. Nichts ist mehr scharfkantig, aber es sind auch keine Schleif- oder Schmirgelspuren erkennbar. Ich bin begeistert! Ein Glücksfall, dass dieses Stück auf mich gewartet hat.
Ganz anders dagegen die Schale der Studentin In Jung, die überaus bewusst und mit einer sehr konkreten Vorstellung, die von der Künstlerin auch schriftlich niedergelegt ist, gestaltet wurde. Die Form ist streng-koreanisch / Ido-Form, mit 8 x 16 cm recht groß, leicht, außen feine rote Linien, innen hell und undekoriert.
In Jung schreibt dazu:
Roh, 2016
Wichtige Themen sind für mich die
immer wiederkehrenden Gefühle,
wie die Vergänglichkeit und die
Erfüllung, die man im Leben ver-
spürt.
Das lineare Ornament, das ich von
meiner vorherigen Arbeit abgeleitet
habe, ist eine Expression der roten
Lebendigkeit. Die roten Linien sind
einerseits wie Wunden, dennoch
strahlen sie eine gewisse Ruhe aus.
Dieses Jahr, 2016, habe ich zusätz-
lich die Stellen, wo die kleinen
Spuren des Arbeitsprozesses auf
der Tonoberfläche entstanden sind,
markiert, was allmählich wie eine
Zeichnung erscheint.
Dazu noch ein weiteres Foto, um dies auf sich wirken zu lassen:
Und dann wollte dieses Kerlchen von Iris Schöne noch unbedingt mit (5,5 – bzw. 10,5 cm mit Zipfelmütze – x 8 cm klein). Erinnert mit den Fingerabdrücken, creme-farbener gelaufener Glasur und grobem Ton an Hagi-Keramik aus Japan. Dazu dieser Deckel (mit etwas Phantasie in Stohhutform und lebhafter Holzmaserung). Entzückend klein und trotzdem ganz viel zu sehen.
Der Markt ist toll – wer ihn besucht, kann sich neben hochkarätiger nationaler und internationaler Beteiligung der Töpfer auch an der ganz eigenen alpin-maritimen Stimmung erfreuen.
Die hier ggf. folgende Werbung stammt nicht von mir…
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